Grundlagen der Homöopathie

Definition und Ähnlichkeitsprinzip

Die Homöopathie ist eine Arzneimitteltherapie, die nach dem Ähnlichkeitsprinzip vorgeht. Sie ermittelt die Kenntnisse der Arzneimittel durch Selbstversuche am gesunden Menschen. Das Krankheitsbild wird durch eine gründliche Anamnese unter Berücksichtigung der individuellen Eigenheiten des Menschen ermittelt. Durch einen Vergleich des Krankheitsbild mit den Arzneimittelbilder (in den Repertorien) wird das geeignete Arzneimittel ermittelt und in potenzierter Form verordnet.

Vier Säulen der Homöopathie

Ähnlichkeitsprinzip: Das Arzneimittel erzeugt beim gesunden Menschen dasjenige Krankheitsbild, das es heilen soll - similia similibus curantur. In der Praxis bedeutet dies, dass man zu den Erscheinungen und Symptome einer Krankheit das passende Arzneimittel finden muss.
Arzneimittelprüfung: die Kenntnisse der Arzneimittel werden mit Hilfe von Arzneimittelversuchen am gesunden Menschen gewonnen. Das Ergebnis dieser Versuche wird in Arzneimittellehren abgebildet. Die kurzgefassten, nach Stichworten geordneten Listen der Ergebnisse dieser Arzneimittelversuche nennt man Repertorien.
Individuelles Krankheitsbild: für die Wahl eines Arzneimittels ist der kranke Mensch mit all seinen individuellen Besonderheiten zu berücksichtigen, besonders aber sind seine auffälligen, einmaligen und ausgeprägten Zeichen zu berücksichtigen. Sie sind in der Anamnese zu ermitteln.
Potenzstufe und Gabenlehre: die homöopathischen Arzneimittel werden bei Ihrer Herstellung einem Verfahren unterworfen, das man Potenzieren nennt. Dabei werden die Mittels auf besondere Weise verdünnt, verschüttelt oder verrieben und die Ergebnisse als Potenzen bezeichnet. Über die Wahl der Potenz im jeweiligen Fall sowie der Gabenhäufigkeit wird im praktischen Teil unter Dosierung genauer eingegangen.

Menschenbild und Individualität

In jeder Heilkunde muss das Augenmerk vornehmlich auf den Menschen als integrales Wesen, auf seine Individualiät, gerichtet werden. Technische Erfordernisse, Sachzwänge, Zeitdruck und Einseitigkeit in der Ausbildung lassen dies alles andere als selbstverständlich erscheinen. Es soll deshalb kurz auf Aspekte des Menschenbildes eigegangen werden, wie sie in der Homöopathie gelten.
Jeder Mensch will sich in seinem Dasein ausdrücken, sich anderen Menschen mitteilen und sich mit ihnen austauschen. Gerade in diesem Austausch drückt sich die Person eines Menschen aus und je harmonischer dies gelingt, desto eher können wir von einer glücklichen Persönlichkeit sprechen. Person leitet sich in seiner wörtlichen Bedeutung von lateinisch „personare" ab, was so viel wie hindurchklingen heißt, in einem vergleichbaren Sinn des Hindurchklingens durch eine Maske im Theater. Der Handelnde steht hinter der Maske, und was vom Menschen vernehmbar ist, drückt sich in Sprache, Gestus, im Klang der Stimme und anderem mehr aus. Wir achten auf diese Vielfältigkeit des Ausdrucks und unterscheiden dabei die drei Weisen des körperlichen, des seelischen und des geistigen Ausdrucks.
Wird ein Mensch in den Möglichkeiten seines Daseins gestört, wirkt sich dies als Disharmonie und bei stärkeren Ausmaß als Krankheit aus. Immer aber ist dabei der Mensch in seinem ganzen Wesen betroffen; einen Menschen mit einer Blindarmentzündung auf den „Blindarm“ zu reduzieren ist eigentlich ein Unding.
Wie weit sich der individuelle Mensch in seiner Gesamtverfassung nach bestimmten Kriterien ordnen bzw. typologisieren lässt, wird im nächsten Beitrag unter Konstitution beschrieben.

Konstitution und Konstitutionsmittel

Unter Konstitution wird hier die Gesamtverfassung eines Menschen verstanden, die sich ausdrückt in der körperlichen, seelischen und geistigen Seins- und Reaktionsweise des Menschen. In den individuellen Eigentümlichkeiten der Konstitution lässt sich eine Person charakterisieren.
Die homöopathischen Arzneimittel, die zu einer bestimmten Konstitution passen, werden Konstitutionsmittel genannt. Die Konstitutionsmittel werden auch als personotrope Arzneimittel bezeichnet. Ihre Bestimmung kann mitunter aufwendig sein. Bei langwierigen, chronischen Erkrankungen ist dieser Aufwand unerlässlich. Sie werden in hohen Potenzen, ab D30 oder in LM-Potenzen verabreicht, mitunter nur einmal im Monat und auch seltener.
Seit dem Altertum gibt es die Klassifizierung in Konstitutionstypen, wobei versucht wird von der äußeren Erscheinungsform sowie der allgemeinen Raktionsweise eines Menschen auf die Krankheitsanlagen zu schließen. Diese Typologien sind sowohl für die allgemeine Menschkunde nützlich, aber auch für die Krankheitsanlage und in der Homöopathie auch für die Behandlung langwieriger Erkrankungen.
Konstitutionstypen werden unterschiedlich charakterisiert:

Konstitutionstypen nach Kretschmar

1. Der Pykniker ist charakterisiert durch einen gedrungen Körperbau mit Rundungen und Fettansatz. Er neigt zu heftigen Stimmungsschwankungen mit großer Heiterkeit im Wechsel mit tiefer Traurigkeit, mitunter bis zur Steigerung von manisch-depressiven Zuständen.
2. Der Leptosome ist schmalwüchsig, feingliedrig, asthenisch. Er errichtet seine eigene kleine Welt und verteidigt sie gegen die Außenwelt unerbittlich. Er ist emotional sehr empfindlich, zeigt sich aber nach außen starr und unerschütterlich. Mitunter kann sein Zustand schizoide Krankheitszüge annehmen.
3. Der athletische Typist muskulös, breitschultrig und kräftig von Statur. Er neigt wie der leptosome Typ zu schizoiden Zügen mit einer deutlichen Neigung zur Epilepsie.

Diathese in der Naturheilkunde

Ein weiterer häufig verwendeter Begriff in der Naturheilkunde ist der Begriff der Diathese. Man versteht darunter die Krankheitsbereitschaft eines Menschen aufgrund geschwächter Beschaffenheit von Gewebe, Blut, Lymphe, seelischer Anlage und anderes mehr. Es werden folgende Diathesen unterschieden:
1. Lymphatische Diathese Hier liegt eine Anlage zu Haut- und Schleimhauterkrankungen vor. Auch das Lymphsystem ist in seiner Funktion verstärkt betroffen. Hals- und Leistendrüsen sowie Mandeln sind oft betroffen und oft stark vergrößert. Magen- Darmbeschwerden sowie Koliken stehen im Fokus. Ihre Konstitution ist deutlich geschwächt, ihre Lebenskraft stark gemindert.
2. Bei der Exsudativen Diathesesind Haut und Schleimhäute ebenfalls stark betroffen. Es besteht eine Schwächeanlage, die sich bereits in den ersten 3. Lebenswoche eines Säuglings zeigen kann. Häufige Beispiele sind Milchschorf, Asthma, Darmleiden.
3. Die Lithämische Diathese wird auch als harnsaure Diathese bezeichnet. Sie bildet den Boden für zahlreiche Krankheiten wie Rheumatismus, Steinbildungen, Gefäß- und Stoffwechselkrankheiten. Sie ist produktiv, hypertone und hypertrophe Prozesse sind ihr Markenzeichen. Bevorzugt betroffen sind Herz, Bindegewebe, die Ausscheidungsorgane und der Stoffwechsel.
4. Bei der Dyskrasische Diathese kommt es vornehmlich zu destruktiven, atonischen, atrophischen Prozessen. Deutliche Hinweise sind starke Kariesbildung, brüchige Zähne, auffällige Deformationen, ausgeprägte und langwierige Geschwüre. Die am meisten betroffenen Organe sind das Nervensystem, die Knochen, das Blut und die Gefäße.

Funktionenelle Aspekte der Konstitution

Unterfunktion Überfunktion Dysfunktion
Mangel Überschuß Entartung
Spärlich Reichlich Aussetzen
Mild Reizend Ätzend
Weinerlich Launenhaft Spöttisch
Inaktiv Hyperaktiv Destruktiv

Modalitäten bei der Arzneimittelwahl

Für die Wahl eines Arzneimittels können mitunter die Modalitäten allein entscheidend sein. Bei guter Kenntnis der Modalitäten bezogen auf die Arzneimittellehre kann man sich die Arzneimittelwahl oft sehr erleichtern. Unter Modalitäten versteht man alle äußeren Einflüsse, die die Krankheitssymptome deutlich verbessern oder verschlechtern. Dazu zählen Fragen nach:
Ursache: Die erste und wichtigste Frage überhaupt. Ist eine auslösende Ursache bekannt?
Folgen von psychischen Verletzungen, Operationen, Beleidigungen?
Zeit: (wann?) Zu welcher Stunde, Tageszeit, Jahreszeit tritt die Krankheit auf? Seit wann besteht die Krankheit?
Periodizität (regelmäßig): Treten die Beschwerden regelmäßig zu bestimmten Zeiten auf? Wiederkehr alle 1, 2, 7,14 Tage, jedes Frühjahr...
Physikalische Bedingungen: Einfluss von Wärme, Außentemperatur, Zimmerwärme, Sonne, Kälte, Zugluft, vor oder bei Wetterwechsel, Regen, Schnee, Wind, Gewitter, Nebel. Wo: am Meer, Gebirge, Flüsse, See, feuchte Niederung, Keller, im Freien, in der Menschenmenge, enge Straßen, Brücken
Lage des Körpers: verschlimmert oder verbessert aufrechte, gebeugte, liegende, sitzende Haltung?
Funktion der Sinnesorgane: verschlimmert oder verbessert Licht, Lärm, Musik, Gerüche, Geschmack, Berührungsempfindlichkeit, Druck, Erschütterungen?
Funktion der Verdauungsorgane: Essen, Trinken
Ausscheidungen: vor, während, nach Stuhlgang, Urinieren
Absonderungen: Schweißbeschaffenheit, Absonderung der Haut
Funktion der Sexualorgane: bei starker oder schwacher Periode, bei sexueller Enthaltsamkeit oder bei Exzessen?
Seelische Aspekte: beim Denken an die Krankheit, bei Angst, Furcht, Freude, Trauer, Ärger, Zorn, Schreck, Kränkung, Demütigung?

Herkunft und Herstellung der Arzneimittel

Die homöopathischen Arzneistoffe stammen aus dem Pflanzen-, Tier- und Mineralreich, aus der chemischen Industrie. Nosoden werden aus Krankheitsprodukten gewonnen.
Die Herstellung und Verarbeitung homöopathischer Arzneimittel ist im homöopathischen Arzneibuch (HAB) gesetzlich geregelt.
Je nach Ausgangsmaterial und Herstellungsart unterscheidet man Essenzen, Tinkturen, Lösungen, Tabletten, Globuli, Verreibungen und Salben.

Gebräuchliche Abkürzungen bei Rezepturen

Urtinktur D1 = Lösung
Dilution dil. = Tropfen, Lösung
Tabletta tabl. = Tablette
Trituratio trit. = Verreibung
Globulus glob. = Streukügelchen
Ampulle amp. = Injektionslösung

Urtinkturen und Ursubstanzen

Die flüssigen Ausgangsstoffe (Essenzen, Tinkturen, Lösungen) werden zusammengefasst unter dem Namen Urtinkturen. Die festen Stoffe tragen den Namen Ursubstanzen. Beide erhalten das Kennzeichen D1. Die Urtinktur von Pulsatilla z. B. Pulsatilla D1.

Potenzierung der Arzneimittel

In der Homöopathie werden die Arzneimittel in der Regel in potenzierter Form verabreicht. Unter Potenzierung versteht man das stufenweise Verreiben oder Verschütteln fester oder flüssiger Zubereitungen nach der Vorschrift des HAB (Homöopathisches Arzneibuch).
In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind Dezimalpotenzen als tiefe und mittlere Potenzen (D1 bis D12) sowie Centesimalpotenzen (C 30 und höher) gebräuchlich und erhältlich. Für langwierige Erkrankungen werden LM-Potenzen oder höhere Potenzen verabreicht.
D = Dezimalpotenz: 1 Teil Substanz auf 10 Teile Gesamtlösung, bzw. 1 g Substanz auf 10 g Verreibung.
C = Centesimalpotenz: 1 Teil Substanz auf 100 Teile Gesamtlösung, bzw. 1g Substanz auf 100 g Verreibung.

Repertorisation - Methoden der Arzneimittelfindung

Das Krankheitsbild ist die Grundlage für die Arzneimittelfindung. Wird das Gespräch mit dem Patienten am Anfang einer Behandlung schriftlich aufgezeichnet, alle Auffälligkeiten festgehalten und die Untersuchungsergebnisse mit berücksichtigt, so erhält man ein Gesamtbild des Patienten, das Krankheitsbild. Hieraus lassen sich dann die wesentlichen Merkmale zur Arzneimittelwahl bestimmen.
Bei der Suche nach dem Arzneimittelbild kann in vier Schritten vorgegangen werden:
1. Man bildet stichwortartige Rubriken, wie es auch in Arzneimittellehren üblich ist.
2. Man gewichtet die Rubriken nach ihrer Charakteristik, Heftigkeit, Außerordentlichkeit. Am wichtigsten sind dabei fast immer die auslösenden Ursachen einer Erkrankungen. Dann haben die besonders auffallenden Gemütssymptome hohe Priorität. Den Modalitäten sind ebenfalls großes Gewicht beizulegen und in die Arzneimittelwahl einzubeziehen.
3. Hat man die gewichtete Rubrik erstellt, erfolgt der Vergleich mit den homöopathischen Arzneimittel. Hilfsmittel sind dabei die Repertorien in Form von Handbücher oder Computerprogrammen; dann natürlich der Erfahrungsschatz des Homöopathen selbst.

Eine einfachere und zuverlässige Methode besteht darin, von bewährten Indikationen auszugehen und mit Hilfe einiger zusätzlicher Merkmale, Symptome und Modalitäten aus häufig gewählten Mitteln das am besten passende auszuwählen. Da dieser Weg bei den meisten Erkrankungen möglich und zeitsparend ist, wurde das Rubin-Programm entwickelt. Diese Website ist ein Auszug aus meinem Computer-Programm.

Richtlinien der Dosierung

Bei der Gabe einer homöopathischen Arznei ist auf die Potenzhöhe und auf die Gabenhäufigkeit zu achten. Da wir unterschiedlich auf Arzneien reagieren, können nur orientierende Angaben zur Arzneigabe gemacht werden. In der Praxis muss man sich den jeweiligen Erfordernissen anpassen, wobei folgende Kriterien Aufschluss geben:

1. Handelt es sich um ein akutes oder langwieriges Geschehen?
2. Will ich auf ein Organ einwirken - organotropes Behandeln, z.B. die Gabe eines Lebermittel wie in der Pflanzenheilkunde, will ich funktionelle Beschwerden behandeln, z.B. durch die Gabe eines Kreislaufmittels oder will ich den Gesamtorganismus umstimmen, z.B. durch die Gabe eines Konstitutionnmittels?
3. Welche Fähigkeiten besitze ich und welche Möglichkeiten stehen mir überhaupt zur Verfügung?

Hier auf dieser Website werden als erste Orientierung oft Angaben zur Dosierung gegeben. Trotzdem sollte man nicht nach einem starren Schema vorgehen, sondern über Sinn und Alternativen nachdenken. Die Angaben können in aller Regel variiert werden und dies wird bei einiger Erfahrung mit der Homöopathie auch der Fall sein.

Weitere Überlegungen spielen bei der Dosierung eine Rolle:

Wahl der Potenzhöhe

Organisches Leiden: niedere Potenzen D1 bis D4.
Funktionelle Beschwerden: mittlere Potenzen D6 bis D12.
Konstitutionelle Betrachtungsweise: hohe Potenzen, etwa D30 und höher sowie LM-Potenzen.

Kombinationen mit anderen Arzneimittel

Soweit es möglich ist, sollte nur ein einziges homöopathisches Arzneimittel zur selben Zeit verabreicht werden, also keine Gemische, da sie ein klares Vorgehen eher vernebeln. Eine Einschätzung für ein eindeutiges Homöopathikum ist dann kaum mehr möglich. In der Praxis wird man wohl nie ganz ohne Kompromisse auskommen.
Oft will man auch ein Homöopathikum parallel zu einem nicht-homöopathischen Mittel nehmen lassen. Dies ist grundsätzlich möglich. Aber auch hier muss man nach dem Einzelfall entscheiden. Nicht selten geht hierbei die Wirkung des homöopathischen Mittels „unter“.

Wie häufig soll man das Arzneimittel einnehmen?

Wie bei der Dosierung kann es bei der Häufigkeit einer Gabe nur Anhaltspunkte geben. Folgende Fragen spielen eine Rolle.

1. Handelt es sich um ein hochakutes Krankheitsbild, kann man alle 5 Minuten 1 Gabe verabreichen, etwa 5 Globuli oder 1 Tablette auf der Zunge zergehen lassen oder 5 Tropfen Arznei in einem halben Glas Wasser verrühren und jeweils 1 Teelöffel als eine Gabe.

2. Handelt es sich um eine akute Krankheit, kann alle halbe bis volle Stunde 1 Gabe verabreicht werden, also 5 Globuli oder 1 Tablette auf der Zunge zergehen lassen oder 5 Tropfen Arznei in einem halben Glas Wasser verrühren und alle halbe bis volle Stunde einen Teelöffel einnehmen.

3. Handelt es sich um eine subchronische Krankheit, eine Krankheit, die länger als eine Woche besteht und akute Symptome zeigt, so kann man 3 mal täglich 1 Gabe verabreichen.

4. Handelt es sich um eine chronische Krankheit, so kann man mit einmal täglich bis einmal wöchentlich beginnen und die Zeitintervalle (und die Potenzhöhe) langsam erhöhen. Auch hier ist die Anpassung an den Einzelfall am besten, sowohl was die Wiederholung der Gabe als auch der Potenzhöhe anbelangt.

Benutzte Quellen und Literatur